Södertalje

Wie so meist, entsteht im Kühlschrank bzw. im kühlen Bodenfach nach zwei, drei Tagen eine gewisse Leere, vor allen Dingen, was frisches Obst, Jogurt und Gemüse betrifft. Insofern sollte nach zwei Ankernächten nun wieder ein Hafenaufenthalt folgen.

Wir wollten uns weiter Stockholm nähern, und zwar über die südwestlichen Wasserwege von Södertälje aus. Die Route, die wir im iSailor geplant haben, beinhaltete die riesige Anzahl von 58 Waypoints! Wir wollten bei der siebenstündigen Fahrt durch enge Rinnen und Unmengen Inseln und halb versteckter Felsen Nichts dem Zufall überlassen. In diesem Archipelwirrwarr weiß man sonst innerhalb von Sekunden nicht mehr, wo man ist, wo man herkam und welche Insel nun backbord oder steuerbords zu umfahren ist. Daher erhielt also jeder Abbiegeknick und jede zu vermeidende Untiefe einen Waypoint, und nun konnten wir uns auf eine sichere Tour verlassen.

Zuvor probierten wir aber unser zweites Navisystem, das fest im Schiff Installierte aus. Dort kann man genauso die Route eintragen, aber was wir deutlich charmanter fanden, war, die iSailor Tour mittels SD-Karte zu importieren. Wow, hat geklappt und schon zeigte auch das Raymarine die gleichen Waypoints an. Und dann kann man doch tatsächlich den Autopilot starten und das Schiff fährt die Route genauso ab (über möglichen Gegenverkehr wollen wir hier mal nicht reden… 😀 ). Geplant, getan, von der Boje abgelegt, ins tiefere Wasser motort und auf “Routenstart” gedrückt.

“So, CARLOTTA, nun zeig mal, was du kannst und fahr zum ersten Waypoint” (der schon fünf Meter hinter uns lag…). Brav drehte sie sich und fuhr los, drehte aber genau 180 Grad zu weit, so dass wir uns ein paar Felsen näherten. Ok, da besteht Verbesserungspotential. Neuer Versuch…nein, gleiches Spiel, sie will nicht dahin, wohin wir wollen. Wir stellten diese Raymarine-Automation ab, steuerten die Waypoints “klassisch” per Hand oder Autopilot an und konnten zusehen, wie sich die Zeit zum nächsten WP verlängerte, statt sich zu verringern. Also, da steckte wirklich der Wurm drin. Mein Bord-Techniker muss da wohl mal in Ruhe ran…!!!

Unterwegs beobachteten wir ein Schiff, das von Tonne zu Tonne fuhr und – tatsächlich – Reinigungsarbeiten durchführte. Diese rote Tonne hier wurde zuerst eingeklammert, abgebraust und dann komplett aus dem Wasser gezogen. Boden- und Befestigungskontrolle standen wohl an. Vielleicht sogar Standortüberprüfung oder -korrektur, immerhin ist die richtige Position nicht unwesentlich für die Sicherheit der Schifffahrt.

CANDELA im Einsatz

Gegen Mittag verließen wir unseren nordöstlichen Gegenwindkurs und bogen links ab in den Himmerfjord, ließen die Genua frei und konnten wieder drei Stunden am Stück segeln. Prompt tauchte aus dem Nichts – äh, wohl eher hinter einer Insel – ein Frachter auf, der unsere Richtung anpeilte. Ein Blick auf die vor uns liegenden Felsen machte klar, dass er wohl parallel fahren würde und wir “sicher” wären. Sieht aber auch immer wieder unwirklich aus, wie sich so ein Koloss durch die Inselwelt schiebt.

Unsere Umgebung sah ansonsten meist so aus:

Surreal erschien uns auch eine weiße Insel mit Baumgerippe. Aber, na klar, dieser Flecken wurde von einer großen Kormorangruppe okkupiert, die mit ihren Ausdünstungen für eine komplette Vernichtung der Vegetation gesorgt hatten.

Je mehr wir Richtung Norden fuhren und uns dem Großraum Stockholms näherten, je enger wurde der Fjord und so mehr Häuschen fanden sich an den Ufern.

Da hat fast jeder seinen eigenen Steg, und die “ganz Pfiffigen” haben sogar einen Lifter für ihre Motorboote. Rein in die Box, 1. Stock bitte, und schon haben Muscheln und Algenbewuchs keine Chance am Rumpf. So spart man Antifouling.

Kurz vor Södertälje passierten wir den Industriehafen und fuhren in den Kanal in Richtung Schleuse ein. Hier wird aktuell intensiv gebaut und auf mehreren Kilometern die Uferbefestigung erneuert. Uns voraus düste ein Arbeitsschiff, was uns leider keine optische Hilfe für die Brückenhöhe war. Das übliche Spiel heißt also, der Angabe in der Seekarte vertrauen und mutig weiter fahren:

Wir erreichten den südlichen Gästehafen um 17.30 Uhr und konnten uns einen der über 50 freien Liegeplätze aussuchen. Ich liebe die Vorsaison!

Während die Steganlagen wirklich gut in Schuss sind, bietet sich rundherum überhaupt kein Foto-Objekt an. Links ein Bahnhof, dahinter drei Hochhäuser, und schräg rechts die Schleusenzufahrt, die sich in einer riesigen Baustelle verbirgt. Mehrmals am Tag wird hier ein großer Ponton von zwei Schleppern durch die Gegend bugsiert. Und überall sind Züblin und Strabag zu lesen, sogar mit Heimathafen Hamburg auf den Schiffen.

Auch wenn hier alles etwas lieblos erscheint und kaum einer länger als eine Nacht bleibt, finden wir alles, was wir brauchen in fußläufiger Entfernung. Södertälje selbst erinnert uns an Hamburg-Harburg…Charme der 80iger Jahre in der Fußgängerzone…, aber wir fanden ein gemütliches Schleusenrestaurant, das schwedische Hausmannskost anbietet. Und, jipppiiih, da gab es diesen Mittwoch doch glatt unseren Favoriten “Brathering mit Kartoffelstampf und Preiselbeeren”.

Uns kamen die zwei Tage mit Bewölkung und Regen gerade Recht, einfach mal raus aus der Sonne und Zeit zum Brot backen. Wir konnten uns in Ruhe auf unseren Trip mitten in die Großstadt vorbereiten, aber auch Fünfe gerade sein lassen, Lesen und Gammeln.

DAISY war allerdings der Meinung, dass Bewegung an frischer Luft nicht schaden könnte. Und da das Grau abends etwas heller wurde, können wir doch noch zwei Ansichten liefern:

Der vordere Teil des Hafens mit Hafenbüro, Kiosk-Café und Sanitäranlagen

und die Schleusenanlage mit Stadtzentrum im Hintergrund. Dem Kanalverlauf folgend, ist auch die Mälarenbron, eine knapp 14 Meter hohe Brücke für den Straßenverkehr zu erkennen. Die oberen 3,5 Meter unseres Masts hätten dann ein Berührungsproblem…was aber durch den Klappmechanismus der Brücke vermieden werden soll. 🙂

Morgen um 08.30 Uhr ist Schleusentermin, und um 9:00 Uhr soll sich die Brücke für uns öffnen.

24.6. von Boje Oxelesund nach Södertälje – 12. Etmal
45 Seemeilen: Segeln 13 – Motor 32