Segel- und Farbenwucht – vorm Sturm

Egal, wie grau und diesig es mal wieder beim Ablegen war, die Stadt Granville behalten wir wirklich in sehr guter Erinnerung. Wir wollten ein Stück weiter Richtung Westen kommen und hatten uns auf fünf Stunden Motorfahrt eingestellt. Allerdings wurden wir außerordentlich positiv überrascht, als wir die Bucht hinter uns ließen. Elf Knoten, halber Wind, keine Welle – also raus mit dem Tuch und drei Stunden feinstes und entspanntes Segeln genießen. Letztendlich schlief der Wind aber doch ein.

Bei unserer Ankunft im modernen Hafen von St. Cast kam uns gleich ein Hafenmeister im Schlauchboot entgegen und dirigierte uns – bestimmt mit voller Absicht – direkt neben ein anderes deutsch-beflaggtes Schiff. Wir lasen „EMDEN“ als Heimathafen und begrüßten die Crew mit einem deutlichen MOIN. „Oh, Norddeutsche“ kam es erfreut zurück. Kaum waren wir fest, ging das Klönen auch schon los, herrlich.

Der Hafen von St. Cast liegt etwas außerhalb und ist über einen befestigten – und manchmal sicher äußerst nassen und nicht begehbaren Weg an der Küste – mit dem Hauptstrand und dem Ferienort verbunden.

Wir liehen uns Fahrräder aus, kurvten durch die hügelige Gegend und bis zum Strand.

Mittags konnten wir unser Glück kaum fassen. Ok, vielleicht etwas übertrieben, aber, wenn man beim zweiten Mal „Essen gehen“ wieder so ins Schwarze trifft, ist das fast ein Wunder. Wir tingelten durch die Fußgängerzone und studierten vor einem Restaurant, das erst in zehn Minuten öffnen würde, die Speisekarte. Mir war einfach mal nach einer Pizza, und die wurde dort beworben. Gerade wollten wir weiterziehen, als eine Kellnerin heran sprang – das Team hatte selbst gerade an einem Tisch zu Mittag gegessen – und bat uns strahlend an einen Tisch. Öffnungszeiten hin oder her. Wir bekamen die Tageskarte – frei von Pizza – und probierten unsere Übersetzungskünste an der kreativen Speisenbeschreibung aus. Sowas wie „Gibt’s sonst nur bei Oma“ stellte sich als traditionelles Wurstgericht heraus, was Micha mit leuchtenden Augen verspeiste. Aufmerksam wurden wir bedient; auf Wunsch hin, auch im langsameren Französisch… 🙂 Satt und zufrieden radelten wir wieder heim.

Am nächsten Vormittag ging es mit derartigem Verkaufsgeschick weiter: direkt am Hafen gibt es ein Fischrestaurant, das auch eine ansehnliche und um 10.50 Uhr erst zur Hälfte gefüllte Ladentheke vorwies. Die Türen standen bereits offen, das Team baute gerade alles auf und deckte die Tische ein – für die Öffnung ab 11 Uhr. Wir luscherten um die Ecke, woraufhin man uns näher hereinbat und sogleich frischen Fisch verkaufte. Was für eine Freude, dieser unkomplizierte Service (und das schlaue Verkaufsgeschick 😉 ).

Unsere weitere Routenplanung war – natürlich – von der Wettervorhersage geprägt. Diesmal mit einem wachen Blick auf das Sturmtief, das der Bretagne für Montagabend ins Haus stand.

Montagnacht sollte die Sturmspitze auf’s Land prallen

Wir hatten also noch einen Tag bzw. eine Nacht Zeit, in einem nach Westen geschützten Hafen zu gelangen. Das Wetter hatte sich nachts schon mal in St. Cast ausprobiert und verschaffte uns diesen Rückblick am Morgen nach dem Ablegen:

Dann begann ein intensiver Segeltag. An unserem Track mit seinen Knicks, Kurven und Geraden spiegeln sich unsere Aktivitäten wieder.


Kurz hinter St. Cast konnten wir Vollzeug setzen und bei vier bis fünf Windstärken losbrausen. Der Wind wurde schnell noch stärker: wir refften das Großsegel (1.), der Wind kam immer mehr von vorn, und wir mussten Abfallen, um weiterhin kräftig und schnell durch die Wellen zu pflügen (2., mittlerweile auch mit gereffter Genua).

Da wir ja nicht raus auf den Atlantik segeln wollten, probierten wir eine Wende (3.), hatten aber wegen Gegenströmung und Welle so einen schlechten Wendewinkel, dass wir fast wieder zurückgefahren wären, also doch noch ein Stück weiter raus und bei 4. aufgegeben. Segel runter, Motor an und versucht, wieder dichter ans Land zu fahren. Die Welle kam mittlerweile frontal von vorne, und wir tauchten tief in die Täler ein. So tief, dass das übergeschlagene und rücklaufende Seewasser über unsere Doradelüfter den Weg nach innen fand und in Pantry und Bad von oben tropfte. Lange schauten wir uns das nicht an (5.), setzen nochmals Segel, konnten dann zwar einen besseren Kurs fahren, hatten aber weiterhin wenig Spaß mit den hohen Wellen. Bei 6. flachten die Wellen etwas ab, wir hatten die Faxen aber dicke und stellten den Motor an. Mittlerweile hatte Micha eine Bucht an der Steilküste entdeckt, die uns ideal zum Ankern erschien, und so fiel nach acht Stunden körperlicher Arbeit das Eisen auf den Grund (7.). Es sollte eine fast windstille Nacht werden, und wir wollten dem Ankern im Ärmelkanal noch eine weitere Chance geben… 😉

Machen wir nie wieder! Wind war wirklich kaum vorhanden, die steile Küste schützte uns gut, aber, die Strömung kam sogar in diese tiefere Bucht gut rein und sorgte für Dauerschwell auf unser Heck. Also haben wir mal wieder eine Nacht auf den Salonsofas verbracht… 🙁

Die Kulisse bot sich natürlich für einen DAISY-Ausflug an, leider verkrümelte sich das Bißchen Morgensonne zu schnell.

Wir hatten keine Eile, da wir erst nachmittags bei Hochwasser nach Paimpol gelangen konnten. Die Karte zeigt sehr gut, dass wir uns auf der kurzen, 60minütigen Strecke, fast nur auf grünem Terrain bewegt haben.

Allerdings lag der Pegel bei NEUN Meter über Kartentiefe, so dass wir uns auch bei 4,4 Meter über Normalnull keine Sorgen machen mussten. Wir hängten uns in der Fahrrinne an einen französischen Segler, in der Hoffnung, dass der die lokalen Untiefen schon gut umfahren würde. Passend zur Schleusenöffnung kamen wir in Paimpol an und erhielten dahinter einen der letzten freien Plätze. Na klar, keiner wollte abends ungeschützt auf dem Meer sein, entsprechend voll war dieser Schleusenhafen. Ganz happy waren wir mit dem zugewiesenen Platz nicht, da wir zwar den Bug am Steg, backbords aber an einem Segelschiff festmachen mussten.

Um 21 Uhr ging es dann los. Zuerst mit dieser Farbenwucht:

Morgens um 2.30 Uhr war es dann mit der Nachtruhe vorbei. CARLOTTA tanzte auf dem Wasser, und wir prüften draußen alle Leinen bzw. zogen uns noch dichter an den Nachbarn heran – im Vertrauen, dass sein Boot wirklich fest am Seitensteg liegen würde. Überall sah man Licht an Bord, Menschen turnten auf ihren Schiffen herum, der Wind brauste und pfiff durch die Riggs. Sturm halt. Braucht keiner, muss man aushalten.

Am nächsten Morgen war der Spuk vorbei, und wir konnten an einen eigenen Fingersteg verholen. Und belohnten uns mit einer kleinen Shoppingtour, auf der Micha wieder eine schicke (eigentlich noch schönere als die geklaute…) Sweatshirtjacke fand.

Noch während wir gemütlich den Nachmittagskaffee im Cockpit einnahmen, beobachtete Micha „offiziell aussehende“ Personen an der Kaimauer, die in unsere Richtung zeigten, telefonierten und sich dann näherten. Erst an unserem Schiff vorbei, weiter durch, dann wieder zurück und immer mal wieder am Telefon. Dann schien es klar zu sein, man wollte zu uns.

Der Zoll hatte uns ins Visier genommen. Die „Chefin“ erkundigte sich freundlich, ob wir französisch sprächen und fragte nach unseren Papieren. Ok, nun war es so weit. Wir hatten mehrfach von deutschen Seglern auf der gleichen Route gehört, die auf dem Meer von der Küstenwache gestoppt worden waren. Und, es gab Zeitungsartikel, die von verstärkten Kontrollen im Ärmelkanal berichteten, da vermehrt Segelschiffe als Schlepper-Boote nach England eingesetzt wurden.

Irgendwie hatten wir uns so einen „Besuch“ fast herbeigewünscht. 😉 Und nun stand die Dame da und wollte nur unsere Papiere sehen. Unsere Pässe und den „Internationalen Bootsschein“ gab sie an ihre Kollegen weiter, es wurde wieder telefoniert und Formulare ausgefüllt, während sie uns nach unserer Route und der Anzahl der Crewmitglieder befragte. Es stellte sich dann heraus, dass sie selbst eine Najad, also auch ein skandinavisches Traditionsschiff, segelte und Nordship von der Messe kannte. Flux haben wir die Dame unter Deck eingeladen – natürlich auch als vertrauensbildende Maßnahme… – und diskutierten mit ihr über ähnliche Schiffe und ihre Vorzüge. Klasse, so nett kann ein Besuch vom Zoll ablaufen (Schmuggelware war ja in den Schapps eh nicht zu finden, wenn man mal meinen verbliebenen Weinvorrat unberücksichtigt ließe :-)).

Auch Paimpol hatte wunderschöne Altstadtgassen zu bieten.

Wir wunderten uns auch hier darüber, dass die Pkw nicht aus der engen Stadt und diesen Gassen verbannt werden. Immerhin gilt fast überall das Einbahnstraßenprinzip, aber das Verkehrsaufkommen ist sehr hoch und entsprechend laut ist es. Schade. Wo doch alle Cafés und Restaurants genau dort ihre Außenplätze haben. Ok, wir saßen da aufgrund des vielen Regens eh nicht.

Für den kommenden Morgen mussten wir uns den Wecker stellen. Hochwasser und somit beidseitig geöffnete Schleusen gab es nur zwischen 06.20 und 06.50 Uhr, und das durften wir auf keinem Fall verpassen.

 

14. Etmal am 2. Juli von Granville nach St. Cast – je 14 Meilen unter Segel bzw. Motor

15. Etmal am 4. Juli zu einem Ankerplatz kurz vor Paimpol – 21 Meilen segelnd, 16 unter Motor

17. Etmal am 5. Juli fünf Meilen hinein nach Paimpol unter Motor