Aufbruch in die Alands

Wir hatten am Donnerstag dieses EINE Windfenster, das uns gut über die Ostsee zu den westfinnischen Inseln bringen sollte, und daher machten wir uns morgens bei schönstem Sonnenschein auf den Weg.

Die Segelyachten verließen fast alle gleichzeitig Gräddö, so dass wir auf den ersten Metern wie in einer Kolonne fuhren. Das dauerte allerdings nur kurze Zeit, und schon bog der erste an einer Insel ab und der zweite hinter der nächsten. Die meisten peilten den Westhafen in Mariehamn an, der Hauptstadt der Alands, während wir die fünf Meilen längere Strecke zur Ostseite wählten.

Von Gräddö nach Mariehamn

Das erwähnte Wetterfenster empfahl uns bis nachmittags im Hafen anzukommen, da uns dann die Vorboten des aufziehenden Sturmtiefs erreichen würden. Praktisch hieß das, zuerst rund 90 Minuten bei Windstille zu motoren und dann den Gennaker bei südwestlichem Wind zu setzen. Der Blick nach vorne war klasse: blauer Himmel und, seit langem mal wieder, die freie Ostsee mit gelegentlicher Berufsschifffahrt vor Augen. Der Blick zurück gab uns einen ersten Vorgeschmack auf das Wetter der kommenden Tage.

Das Wetter naht!!

Wir wissen um die Böengeschwindigkeiten bei so einer Wolkenwalze, so dass wir den Gennaker frühzeitig wieder bargen und auf Genua und gerefftes Großsegel umstellten. Übrigens echt eigenartig, wenn derartige Wolken von Nordwest heranziehen, der Wind aber eher südlich weht. Zeigte halt die Stärke des linksdrehenden Nordtiefs, was sich voran kämpfte.

Zwischendurch wunderten wir uns über abrupt ansteigende Wellenhöhen und lösten das Rätsel anhand der Angaben zu Wassertiefen in der Seekarte. Unser Tiefenmesser war nämlich schon ausgestiegen und hatte den Dienst verweigert.

Zwischen dem schwedischen Festland und den Alands gibt es einen Meeresgraben mit bis zu 276 Meter Wassertiefe, den wir queren mussten. Irgendwie ein schräges Gefühl, wenn man sich vorstellt, wie tief es unter einem abwärts geht. Vielleicht war auch das der Grund, warum unser Tiefenmesser angsterfüllt bei 150 Metern ausgestiegen ist und uns bis zur vergleichbaren Tiefe immer eher nur neun oder zehn Meter anzeigte. 🙂

Pünktlich nach sechs Stunden erreichten wir die südlichen Inseln des Archipels und konnten uns bei zunehmenden Wind nordwärts zwischen den Inseln verstecken. Da wir nur noch rund 30 Minuten zu fahren hatten, schreckte uns die Ansicht des herannahenden Wetters nicht mehr.

Als Hauptstadt bietet Mariehamn an seinem südlichen Finger also zwei Häfen, wobei der westliche auch von den großen Fähren angelaufen wird. Der Charme des östlichen lag für uns in drei Punkten: erstens schätzten wir uns im “Landesinneren” sicherer beim kommenden Nordsturmtief und zweitens erwarteten uns dort mal wieder Dalben zum Festmachen. Eine echte Seltenheit in nordischen Gewässern, da es dort meist zu steinig für diese Holzpfähle ist und somit eher Heckbojen oder Ausleger vorhanden sind. Bei Starkwind fühlt sich CARLOTTA aber zwischen Dalben normalerweise sehr wohl. Drittens wollten wir uns bei besserem Wetter eh gen Osten durch die mittleren Aland Inseln vorwärts bewegen.

Finnland begrüßte uns mit dem hafennahen Zentrum und dem Zahlungsmittel Euro. Unser erster Ausflug kannte soundso nur ein Ziel 🙂 : das Elektronikgeschäft, das uns eine SIM-Karte verkaufte. Der Verkäufer wußte sofort, was wir brauchten, und innerhalb von fünf Minuten waren wir Besitzer einer freigeschalteten SIM-Karte für die nächsten 31 Tage mit UNBEGRENZTEM Gigabyte-Volumen für € 25,-!!! Ist das zu glauben??? Wieso muss das in Deutschland so viel teurer sein??? Egal, hier hilft es beim gleichzeitigen Bloggen und Netflix-Gucken…:-)

Noch eine Erscheinung traf uns etwas überraschend: sobald wir beide ruhig an einem Tisch im Restaurant oder unter der Dusche in den Hafenanlagen standen, bewegte sich der Boden…na klar, wir waren “wellenentwöhnt”! Zehn Tage lang waren wir nur in wellenarmen, schmalen Fjorden bzw. im Schärengarten gesegelt und hatten nun sechs Stunden Ostseewellen hinter uns. Das macht wohl was mit der Körperwahrnehmung… :mrgreen:

Was hier nicht fehlen darf, ist meine persönliche Anmerkung zu Sturmtiefs im Urlaub. Keine Ahnung, wie Micha das hinkriegt, aber ich hatte eine eher unruhige Nacht. Die übrigens damit begann, dass ich nicht ins Bett gegangen bin. Der beginnende Starkwind kam nämlich von Südost und trieb eine fiese, kleine und harte Welle in den Hafen hinein. Genau auf den Platz, an dem wir lagen…und, nein, wir hätten keinen anderen Liegeplatz nehmen können. Wir waren schon happy, dass dieser passte. Wahrscheinlich wurden viele Sportboot-Häfen und ihre Festmacher zu einer Zeit geschaffen, als alle Schiffe noch kleiner als 12 Meter waren…grrrr. Also diese blöde Welle traf unser Heck und somit mein Schlafzimmer und vergraulte mir das Einschlafen. Jedenfalls bis Mitternacht. Dann nämlich drehte der Wind wie vorhergesagt auf Nord, und es kehrte Ruhe im Heck ein. Die bis mittags aufprallenden Böen mit Windstärke acht trafen dann den Bug und konnten mir im Heck nichts mehr anhaben. Was soll’s, dann schlafe ich im Urlaub halt mal bis neun Uhr!!

Nun fehlen hier eigentlich ein paar Fotos von der Stadt und dem Hafen, oder?? Aber, wer will schon graue Regenbilder von normalen Fußgängerzonen sehen? Mariehamn hat zwar rund 11.000 Einwohner und ist die einzige Stadt auf den Alands, aber manch kleiner Inselort ist wahrscheinlich muggeliger und netter in unseren Augen. Daher gibt es genau ein Foto, das uns in den Straßen knipsenswert erschien:

Schafsbock in action!

Ob derartig clevere Schafsböcke einen wesentlichen Bestandteil der Stadt ausmachen oder symptomatisch für die hier gegen Widerstände anrennenden Männer sind, konnten wir nicht klären. Ähnlich interessant war der Besuch im örtlichen Supermarkt. Viele Lebensmittel haben bereits finnische Bezeichnungen, obgleich die vorherrschende Sprache hier noch Schwedisch ist! Dieses Exemplar können wir Euch einfach nicht vorenthalten:

Meeeetwursti oder Pippiurinen??? Welche Lesart gefällt Euch besser? Wir hatten jedenfalls ordentlich zu Lachen… 😆

Die Buchhandlung in Mariehamn führte natürlich auch Kartenmaterial, und nach erfolgreichem Einkauf regionaler Seekarten und Hafenhandbücher, verkrochen wir uns in unseren Salon. Dank der großen Salonfenster und der funktionierenden Heizung ließ es sich wunderbar aushalten!! Wir hatten 12 Grad in der Spitze und verloren komplett die Lust, uns draußen aufzuhalten. Seelisch musste ich mich auch schon wieder auf die kommende Nacht vorbereiten, die uns weiterhin starke Winde versprach.

Morgen gehts es wieder raus in die Natur, rein in eine kleine Bucht und an einen kleinen Steg. Ein Tag mit Sonnenschein und windstiller Nacht wird uns von allen Wetterdiensten versprochen. Dann mal los!!!

4.7. von Gräddö nach Mariehamn – 17. Etmal
41 Seemeilen: 27 Segeln – 14 Motor