Kontrastprogramm in Perfektion

Wir hatten mit Havsvidden unseren nördlichsten Punkt der Reise erreicht und kehrten bei ca. 60 Grad 29,8 Nord die Rückfahrt in den Süden an, was übrigens auf Höhe der Südspitze Grönlands liegt 🧐😯.

Kaum bogen wir von der freien Ostsee nördlich von der Insel Mariehamn links ab in die Inselwelt, tauschten wir automatisch kräftigen Seitenwind in kaum spürbaren Rückenwind ein. Das ist jedes Mal beeindruckend, wenn man gerade noch mit Krängung durch die Wellen pflügte, um nach wenigen Handgriffen sowie Kurs- und Segelverstellungen vor dem gleichem Wind her zu fahren.

Wir werden dann zwar auch langsamer, aber, in den Schären verschwindet die Welle nach kurzer Zeit, und das Gleiten durch die Inselwelt beginnt. Da heißt es, Zurücklehnen und Genießen. Wir stellten nicht auf Gennaker um, da der Wind sehr frisch bleiben sollte und wir immer mal wieder stark westliche Kurse zu fahren hatten.

Unser Ziel hieß Enskär, die westlichste Insel der Ålands, die wir als Absprung zum schwedischen Festland nutzen wollten. Enskär war früher eine Grenz- und Zollstation und spielte im Krieg eine strategische Rolle. Schon in der Zufahrt zum Hafen konnten wir erkennen, dass der Steg leer war, was uns auf dieser unbewohnten Insel zu den einzigen Gästen machte. Seit über 10 Jahren lebt hier niemand mehr, ein Bootsverein nutzt die alten Häuser, hat ein Museum aufgebaut und hält alles in Schuss.

Als wir die Insel erforschten, wussten wir noch nicht, welches Highlight uns bevor stand.

Ist ja ganz logisch, dass wir dem einzigen Pfad folgten, und somit auch den Wegweisern mit der Aufschrift Bastu. Wir kennen das von skandinavischen Inseln, dass ein Saunahaus oft separat bzw. etwas versteckt zu finden ist. So ist es auch auf Enskär, und wir liefen bestimmt zehn Minuten, bis wir vor dem Gebäude standen. Fast schüchtern und sehr  respektvoll drückten wir die Türklinke herunter und betraten den ersten Raum, in dem wir Feuerholz vorfanden. Es folgt ein Umkleideraum mit Bänken und einem Boiler (!), dann ein Raum mit zwei Duschen, die konsequenterweise warmes Wasser versprühten. Von dort ging es in die eigentliche Sauna, der man ihr Alter ansieht und dessen Bänke und Wände sicher viel zu berichten hätten.

Nachdem wir Streichhölzer und etwas Pappe entdeckt hatten, stand der Beschluss fest: diesen Abend würde wir saunieren! Tatkräftig ging mein Saunameister dies Projekt an, so dass wir kurze Zeit später in lodernde Flammen schauten.

Eine Stunde später kehrten wir mit allen notwendigen Utensilien wieder zurück – es war kein weiteres Schiff aufgetaucht – und betraten aufgeregt “unsere” Sauna. Mit 60 Grad könnten wir sicher keinen Finnen begeistern, aber wir machten es uns schnell mit ein paar Aufgüssen gemütlich. Nach der ersten Runde holten wir uns den erforderlichen Kälteschock am ‘Badesteg’ und tauchten enorm schnell und kurz in die knapp 15 Grad 🥶🥶  kalte Ostsee ein. Mittlerweile hatte der Ofen weiter eingeheizt, was uns zur nächsten Runde animierte. Herrlich!

Ich wurde allerdings das Gefühl nicht los, dass doch mal jemand “um die Ecke” kommen müsste…Wir sind es ja auf unserer diesjährigen Tour gewohnt, C-19-bedingt eher allein unterwegs zu sein, aber gleich auf Robinson Crusoe zu machen, hatte ich nicht vor 🤔 😉. Wahrscheinlich lag es auch daran, dass alles voll funktionstüchtig war und von regelmäßiger Benutzung zeugte. Es wird einem so viel Vertrauen entgegen gebracht, und wir waren voll des Dankes, so ein Geschenk zu erhalten.

Es war fast schon schade, die Sauna wieder zu verlassen, die sicher noch ein, zwei Stunden perfekte Hitze für die nächsten Gäste gebracht hätte. Nur zu gern, steckten wir unser Hafengeld mit ein paar Dankes-Zeilen in den dafür vorgesehen Briefkasten am Steg und hoffen, dass dieses Kleinod noch viele, viele Jahre zur Freude aller besteht.

Als wir bei Sonnenuntergang den Tag Revue passieren ließen, wurde uns der Kontrast zu Havsvidden mehr als bewusst. Moderne auf der einen, und fast schon schroffe Einfachheit auf der anderen Seite. Mit anderen Worten und nach unserem Verständnis ist beides Luxus pur. Dankbar und glücklich gingen wir schlafen – morgen geht’s nach Schweden.

 

10. August von Havsvidden nach Enskär
30. Etmal: 31 Meilen, davon nur eine unter Motor