Im Norden der Ålands

Von Iniö aus haben wir uns erneut eine zweigeteilte Route gesteckt und peilten zuerst wieder einen Ankerplatz auf dem Weg durch die nördlichen Ålands nach Havsvidden an.

Da wir erst gegen Mittag aus Iniö abgefahren sind – wir konnten uns einfach nicht loseisen und genossen den Hochsommer am Steg – kamen wir spät nachmittags im Norden der Insel Lappo an. Schlauchi kam zum Einsatz, und Micha kurvte uns an Land. Übrigens ist das Anlanden nicht ganz so banal, wie es scheint, wenn man auf große, flache Steine zufährt. Da gibt es die versteckten Felsen unter der Wasseroberfläche, die dem Außenborder gefährlich werden können und, vor allen Dingen, sind die Felsenränder mit Algen bedeckt und somit extrem glitschig. Ich erinnere mich noch gut an so ein Manöver vor einigen Jahren, wo ich aus dem Schlauchboot einen großen Schritt wagte, elegant in den Spagat rutschte und mit samt Handy zur Hälfte im Wasser versank…😟😩😥 Seitdem verstaue ich alles in einen wasserdichten Sack, und wir suchen uns eher eine Stufe in den Steinen, statt der glatten Flächen.

Während ich dringend über die Felsen tapern musste 🧗‍♀️ 😉,

paddelte Micha entlang des Ufers weiter.

Carlotta ignorierte uns im Wesentlichen und machte es sich allein gemütlich.

Nachdem die Mücken anfingen, uns zu attackieren (Nobite hilft zwar etwas dagegen), tauschten wir Felsen gegen Cockpit ein und ließen uns den Sonnenuntergang gefallen.

Am Samstagmorgen lagen nun 36 Meilen in Richtung Nordwest vor uns, die wir aufgrund des Südwestwindes größtenteils segeln konnten. Sechs Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit sprachen für sich und ein herrliches Segelerlebnis bis kurz vor den nördlichsten Hafen der Ålands auf der Hauptinsel Mariehamn.

Der Hafen Havsvidden wird im Revierführer sehr gelobt, da er zu einer schicken, naturnahen Hotelanlage gehört und den Gästen alle Fazilitäten vor Ort zur Verfügung stehen. Gleichzeitig wird auf die anspruchsvolle Zufahrt und einen weiteren Aspekt, auf den ich noch zu sprechen komme, hingewiesen. Die großen Felsen, die dicht unter der Oberfläche in der breiten Einfahrtbucht versteckt liegen, sind im Video später gut zu erkennen. Nur eine kleine, schlanke Untiefentonne, in diesem Fall ein Ostwilli 🐝 😁, gibt einen Hinweis auf den idealen Weg. Die Ansteuerungszeichen, die eigentlich gut rot erkenntlich sein sollen, verstecken sich im fast-schwarz in den Felsen und nützen nichts mehr. Nun gut, wir sind ordentlich rein gekommen und wurden von einem hilfsbereiten Hafenmeister angenommen. Platz war allemal: nur einige Motorboote und ein Segelschiff nutzen die Kaimauer neben uns.

Nach einem Entdeckungsrundgang konnten wir unser Glück kaum fassen. In der Hafengebühr, die zwar mit 40 Euro die teuerste war, die wir bisher zu zahlen hatten, ist aber einfach ALLES inkludiert. Ein hochmodernes “Poolhuset” wurde zwei Wochen zuvor in Betrieb genommen und ließ keine Wünsche in Sachen sanitärer Anlagen, Schwimmbad, mehreren Saunen, Terrassen und einer netten Bar offen. Egal, wohin das Auge blickte, erkannte man einen klugen Architekten, der Gebäude und Umgebung schlau miteinander verbunden hatte.

Traumhafter Blick aus der Sauna

Ziemlich schnell fällten wir die Entscheidung, eine zweite Nacht dranzuhängen und am noch menschenleereren Sonntag die Annehmlichkeiten des Poolhuset zu nutzen. Unsere Begeisterung kannte keine Grenzen mehr, als wir den Klippenweg mit anschließendem Waldpfad entlang spazierten – äh, also zuerst rumkletterten und dann spazierten…😉

Uns wurde bei diesem Spaziergang einmal mehr deutlich, wie sicher wir es hier im Norden und besonders in dieser einsamen Inselwelt haben. Keine Sorge vor Überfällen und Einbrüchen – das Schiff wird einfach unberührt dort liegen, wo wir es verlassen haben, und wir können, ohne Angst vor Mensch oder Tier, umhergehen (ganz anders als auf unserer Reise in Südafrika). Ja, wir haben es verdammt gut und sind uns dessen sehr bewusst!

Sonntagmorgen hatte der Wind gedreht und kam nun aus Nord. Nordwind! Nordwind im skandinavischen Sommer klingt irgendwie schräg, eher nach Sommerende und somit nicht warm und nicht angenehm. Durch den wolkenfreien Himmel blieben die Temperaturen bei knapp 20 Grad, und, vor allen Dingen windgeschützt, ließ es sich weiterhin gut aushalten (zum Beispiel in der Sauna… 🤓 ).

Aber, nun trat das ein, was im Revierführer vorab zu lesen war. Die Öffnung der Bucht liegt in Richtung Norden und verschaffte somit allen Wellen freien Zutritt. Und die ließen sich nicht zweimal bitten. Die schützende Mole, hinter der wir am Kai lagen, gab ihr Bestes, aber die Wellen drängten sich seitwärts an die Schiffe heran. Carlotta lag mittlerweile als äußerstes Schiff am Kai und bot den Wellen ihre Backbordseite an. Mit anderen Worten, wir rollten von links nach rechts und mussten uns an und unter Deck gut festhalten. Und das in einem Hafen!

Am frühen Abend vertrieb uns der kühle Wind final unter Deck, wo wir uns ein 20minütiges Video eines unserer beliebten Segelblogs ansahen. Unfassbar, wie schnell ich mich schwindelig fühlte. Der Blick auf einen Bildschirm mit bewegten Bildern, dazu das Schaukeln und Rollen von Carlotta – so fängt Seekrankheit an. Oh man, also raus auf festen Boden und dem Gleichgewichtssinn zeigen, wo er hingehört.

Der Wind arbeitete sich nachts auf sechs bis sieben Beaufort hoch, und wir waren froh, noch eine dritte Leine als Spring gelegt zu haben. Bei leichter Windberuhigung stand montagfrüh die Welle noch gut in der Hafenausfahrt und drückte seitlich an die Mole. Und davor hatte der Revierführer eben auch gewarnt: ab Windstärke fünf wird die schmale Zufahrt nach Havsvidden gefühlt noch enger. Unsere hohe Motorleistung half, und Carlotta zog uns kraftvoll durch die Strömungen aus dem Hafen.

Kaum hatten wir die offene See erreicht, setzten wir Segel und rauschten, zuerst mit halbem und später mit viel Rückenwind, nach Südwesten. Gerne blickten wir nochmals nach Havsvidden zurück und können nur jedem Åland-Segler empfehlen, hier Station zu machen.

 

7. August von Iniö zum Ankerplatz Garsgrundet vor Lappo
8. August von Garsgrundet nach Havsvidden
29. Etmal: gesamt 55 Meilen, davon 35 segelnd und 20 mit Motor