Sonntagstörn klingt ja eigentlich nach Sonntagsausflug, aber, in Verbindung mit ELF Stunden scheint mehr dahinter zu stecken. Auf jeden Fall unterschied sich diese Etappe ziemlich von der vorherigen.
Nach dem unbeschreiblichen Sonnenuntergang Samstagabend in Kühlungsborn vertrauten wir auf das alte Sprichwort “Abendrot macht Wetter gut”. Außerdem waren sich alle Wettervorhersagen einig, dass wir passenden westlichen Wind (mit nördlichem Anteil) bekommen würden, um die gut 63 Seemeilen zügig in einem Stück segeln zu können. Man hat auf der Strecke nämlich keine Alternative. Der komplette Darss gehört zum Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft, hat keine Häfen für Sportboote und verbietet das Ankern. Der erste Stop ist also erst südlich von Hiddensee möglich, und wir wollten darüberhinaus gleich weiter bis Stralsund.
Hinsichtlich unserer Stimmungslage waren wir zweigeteilt. Zum einen reichte uns der 48stündige Aufenthalt in Kühlungsborn – CARLOTTA scharte mit den Hufen… 🙂 – zum anderen hörten wir unerfreuliche Nachrichten aus der deutschen Seglergemeinde in Polen. Aus dem ersten Hafen Kolberg wurde eine Yacht von der Polizei mit der Ansage “sofort Umdrehen oder 14 Tage in Quarantäne” gleich wieder vertrieben. Unser Plan B geriet sogleich ins Wanken, andere Optionen traten in den Vordergrund. Eine davon ist, von Rügen nach Bornholm und zu den Erbseninseln zu fahren und dann den langen Schlag direkt nach Klaipeda zu wagen. Die andere würde uns einen langen Sommer in Dänemark beschweren (was übrigens wirklich auch schön wäre, da wir dann endlich mal den Limfjord besuchen könnten). Wir sind hin und her gerissen: einerseits verschafft uns unser Segelschiff eine Unabhängigkeit und Flexibilität, andererseits werden wir schnell ausgebremst und könn(t)en unsere Träume ad acta legen. Natürlich klingt das nach “Jammern auf hohem Niveau”, aber die Lage verunsicherte und bedrückte uns (Covid-19 wird uns halt noch lange begleiten).
Wenn dann Sonntagmorgen die Sonne scheint und sogar noch unerwarteter Besuch an Schiff klopft, fängt der Tag prima an. Meine liebste Freundin Berit war mit einer Chartercrew unterwegs, überraschend auch in Kühlungsborn eingelaufen und holte sich bei uns um 06.30 Uhr ihren ersten Kaffee ab. Gut, dass wir Frühaufsteher sind… 🙂
Das Frühstück im Cockpit unter blauem Himmel stimmte uns auf den Tag ein, und um 08.30 Uhr setzen wir schon beim Auslaufen das Großsegel. Die Fock wartete bereits wieder an ihrem korrekten Platz auf ihren Einsatz und komplettierte die Segelpracht kurz danach. Wir genossen die Rauschefahrt in Richtung Darss.
Leider nahm der Wind immer mehr ab, so dass wir uns schon vor dem Darss für ein Umrüsten auf den Gennaker entschieden. Umrüsten klingt nach Arbeit, und das war es dann auch. Wir haben ja eine neue Rollanlage, die sowohl für die Fock, als auch für den Gennaker zu nutzen ist. Somit rollen wir die Fock ein, holen sie runter, verstauen sie im Segelsack und sichern diesen an der Steuerbordreling. Dann holen wir das Großsegel ein – der Autopilot hält uns in der Zwischenzeit auf Kurs. Der Gennaker schlummert noch im Segelsack im Bug, wird an Deck hoch gehievt, an das Topfall und die Rollanlage angeschlagen und hochgezogen. Wenn die Segelstellung und der Kurs stimmen, sinken wir ermattet auf die Cockpitpolster und atmen tief durch.
Ich sollte dringend Vorher-/Nachher-Bilder von meinen Oberarmmuskeln machen…. 🙂 Und, ich vermute, das sich jeder Segler gut vorstellen kann, was wir da zu tun hatten. Allen anderen sei gesagt: Segeln ist Arbeit!
Damit hörte es aber nicht auf – war klar. Das Windlüftchen reichte gerade noch für 2,5 Knoten Fahrt – und wir haben uns eine Grenze von drei Knoten gesetzt. Darunter wird der Motor angestellt. Also holten wir den Gennaker wieder ein – bzw. versuchten es…aber, die Reffleine hatte sich mit der Rollanlage verdreht, so dass ein Eindrehen des Segels nicht mehr möglich war. Nun gut, dann halt das Fall lösen, und das lose Tuch mit seinen 85 Quadratmetern sukzessive durch das Bugluk unter Deck schieben. Bei wenig Wind funktioniert so was zum Glück.
Alle Segel hatten jetzt Pause – genau wie wir – und verließen sich auf unseren Motor. Wir hielten auf die schmale Fahrrinne bei Hiddensee zu und konnten gleich danach doch wieder die Genua ausrollen. Der Wind blies hier sehr passend aus West. Ja, trotz all der Aktionen und vermeintlichen Maleschen mit der einen Rollanlage vertrauten wir unserem großen Vorsegel und genossen die 1,5 Stunden Segeln bis kurz vor Stralsund. Hier hatten wir vor zwei Jahren schon mal geankert und wählten eine ähnliche Stelle.
Kaum hatte sich der Anker eingegraben, genossen wir die abendliche Sonne und schliefen fast im Cockpit ein. Elf Stunden sind dann doch ganz schön lang…
Unser neuestes Video beinhaltet sowohl den im vorherigen Blog beschriebenen Törn nach Kühlungsborn als auch diese lange Strecke bis Stralsund. Viel Spaß damit:
21. Juni
Kühlungsborn nach Stralsund (Ankern)
2. Etmal: 63 Seemeilen > 44 unter Segel, 19 mit Motor
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.