In der Vendée – plötzlich neue Freunde

Gleich früh bestätigte uns der Hafenmeister im Port Olonne von Les Sables d’Olonne, dass wir zwei weitere Nächte an diesem Platz liegen bleiben konnten. Zuerst freuten wir uns sehr, da Ponton A ja recht zentral lag und wir gut den Hafen entlang gucken konnten.

Erstmal war es aber wichtig, einen Arzt für Michas nach acht Wochen mal notwendigem Blutcheck zu finden, und wir entdeckten ein medizinisches Zentrum recht hafennah. Es gehört nun nicht gerade zu meinem französischen Stammvokabular, einer Arzthelferin ein Anliegen zu erklären. Englisch und Deutsch lehnte sie nämlich sofort ab. Das verlangsamte ihre Sprechart aber nicht aufs Mindeste…dreimal den gleichen Satz hektisch zu wiederholen, machte ihn für uns auch nicht verständlicher – blöde Kuh. Letztendlich gab sie uns eine Visitenkarte von einem Fachteam im Haus, bei dem wir uns telefonisch melden sollten. Dann blieb uns nur zu hoffen, dass dort jemand den Anrufbeantworter abhörte und zurückrief.

Und während wir warteten und die nahegelegene Lavarie Sauberkeit in unsere T-Shirt- und Handtuchsituation brachte, fuhren regelmäßig Segel- und Motorboote an uns vorbei. Die meisten recht brav mit den geforderten zwei Knoten langsame Fahrt. Zudem gab es aber am Ende des Hafens einen großen Jet-Ski-Verleih, dessen Verkaufsabteilung ganze Arbeit leistete. Andauernd dröhnten Gruppen von bis zu neun dieser unsäglichen Spaßboote Richtung Meer bzw. wieder zurück. Grrrrr.

Nachmittags kam der gewünschte Rückruf und sogleich auch ein Termin am kommenden Morgen, früh um 7.30 Uhr. Très bien!!

Das Ganze war dann eine Aktion von acht Minuten inklusive klärendem Telefonat mit dem zuständigen Labor und kostete € 6,08. So, das hatten wir aus dem Kopf! Auf ging es zur Haltestelle des maritimen Busservice in Les Sables.  Drei elektrisch angetriebene Linienboote fahren kontinuierlich durch die zwei großen Hafenbecken und ermöglichen kurze Wege in die verschiedenen Stadtteile. Der Vorteil „unserer“ nächsten Linie war, dass sie die Station „Vendée Globe“ passierte und uns einige dieser besonderen Rennschiffe zum Greifen nah brachte. Wow, was für Racer!!

Weiter ging es in Richtung des alten Fischerviertels mit seinen engen Gassen und der beeindruckenden Kirche Notre-Dame de Bon Port aus dem 17. Jahrhundert

und in die herrliche Markthalle:

Wir kamen in Shoppinglaune (ja, sogar Micha… 😉 ) und waren wild entschlossen, im Vendée Globe-Laden ein Erinnerungs-Shirt zu kaufen. Nix da, Ende Juli, äh, in der Hauptsaison, waren die attraktiven Teile nicht mehr in unseren Größen zu erwerben. Da herrschte also etwas weniger Verkaufstalent…

Auf jeden Fall machte es Spaß, sich durch dies Viertel mit seinen vielen kleinen Geschäften treiben zu lassen. Und, wäre es uns nicht schon grenzwertig zu voll gewesen (Maskenpflicht bestand soundso), hätten wir einen Café- und Restaurantbesuch angeschlossen. So aber, machten wir uns an Bord über die eingekauften Leckereien her.

Zeitlich war das genau richtig, immerhin standen auf einmal Kerstin und Michael überraschend vor unserem Schiff. Die beiden hatten sich vor gut vier Wochen gemeldet, nachdem sie unseren Blog entdeckt hatten. Die “Exil-Saarländer” haben mit ihrer SY Hava Supai einen Dauerliegeplatz im nächsten Hafen Bourgenay und kennen sich an der französischen Küste sehr gut aus. Wir wurden also per Telefon und E-Mail mit vielen guten Tipps während unserer Reise versorgt, und ein persönliches Kennenlernen war überfällig.

Fast hätten wir uns in den Abend hinein verklönt, aber wir mussten ja noch im Labor vorstellig werden. Ohne persönliche Anwesenheit konnte weder ein „Dossier erstellt“ noch die Blutergebnisse übermittelt werden, geschweige denn die geforderte Barbezahlung erfolgen. Also, rüber zum Fahrradverleih (diesmal für je 10 € für zwei Stunden) und mutig gemäß der Google-Maps-Empfehlung entlang der Hauptstraßen die vier Kilometer geradelt. Mutig besonders, als dass der Radweg in einen „ehemaligen“ Standstreifen auf der Schnellstraße überging. Es war zwar die offizielle und kürzeste Strecke, die wir aufgrund der begrenzten Öffnungszeiten des Labors nehmen mussten, aber sie wird nicht in den Kreis meiner favorisierten Erlebnisse aufgenommen: die Fahrzeuge durften da mit 90 km/h (!!!) an uns vorbeibrausen (Daddy, stell Dir einfach vor, Du würdest auf der Wilhelmsburger-Reichstraße radeln 😮 ).

Am nächsten Morgen kümmerten wir uns mal wieder um unsere Großsegel: der Unterliekstrecker machte uns weiterhin Sorgen, da sich die Befestigung am Baumende immer wieder löste. Und, wer will schon hässliche Falten im Segel und vor allen Dingen beim “Performance-Segeln” 😎  😎 haben???

Eigentlich sollte es mit „Bändsel und Kabelbinder“ vorerst getan sein. Dann gab aber auch die Halterung an der Mastseite ihren Geist auf, und der (viel zu) kleine Metallstift löste sich aus dem Keder. Na bravo, damit brauchten wir – schon wieder 🙁  – einen Profi mit kreativen Ideen.

Genialerweise kam der örtliche Segelmacher 30 Minuten nach unserem Hilferuf zu uns Bord, entwickelte Ideen und versprach, das reparierte Segel nachmittags fertig zu haben. Das nenne ich mal perfekten Service!

Und es ermöglichte uns, noch am selben Abend abzulegen. Denn, so gut uns die Stadt auch gefiel, die Jet-Skies wurden nicht mehr unsere Freunde. Les Sables d’Olonne ist unserer Meinung nach aber auch für Nicht-Vendée Globe-Fans sehenswert.

Bourgenay liegt quasi um die Ecke, so dass wir eine gute Stunde später dort einliefen.

Unsere Freunde hatten schon einen passenden Platz für uns vorreserviert und nahmen uns in Empfang. Das ist übrigens einfach klasse: wenn man als „Fremder“ irgendwo neu hinkommt, und dann wartet da jemand und winkt einem freudig zu!! Und hat dann noch Lust, das reparierte Großsegel (unter Zuhilfenahme besonderer Werkzeuge)

mit einzuziehen… und uns zum Abendessen einzuladen… so großartig!!!! Und das besiegelte auch den Ablauf der nächsten zwei Tage 😉 .

Was für ein Geschenk, wenn man sich zu viert einfach gut versteht und Lust hat, gemeinsame Zeit zu verbringen! Eine Küstenwanderung,

Die Küste südlich von Bourgenay bei Niedrigwasser

zum größten Naturstrand Plage du Veillon, an dem sich viele Kite-Surfer ausprobieren, Drohne fliegen,

Salzwiesen und Austernbänke

Kuchen essen und zusammen zum größten Fischgeschäft in der Gegend fahren. Das hieß in diesem Fall zurück nach Les Sables d’Olonne ins Einkaufszentrum und dort die regionalen Meeresspezialitäten auswählen.

Da Kerstin und Michael das erforderliche Besteck an Bord haben, wagten wir uns u.a. an diese Gesellen, die Araignee de Mer bzw. die Große Seespinne, heran.

Das Krabbenfleisch ist auch wirklich lecker, füllt aber nach langwieriger Prozedur nicht wirklich den Teller, so dass wir mit Genuss zusätzlich Crevetten und Kerstins leckere Dips verspeisten. Nicht zu vergessen, das knusprige Baguette, das man in Bourgenay frisch aus dem Hafenautomaten (!!) ziehen kann. Was für ein geschmackvoller Service.

Und, was passiert, wenn man für drei Tage mal das Segeln und die weitere Planung außer Acht lässt und wir ja eh noch nach La Rochelle entlang der Küste weiter fahren wollten?? Genau, man schaut seltener auf die Großwetterlage und bekommt erst durchs Lesen der Facebook-Beiträge mit, dass andere Yachties kurzfristig die Biskaya queren werden, da einige Sturmtiefs nahen 😯 . Dann ging alles sehr schnell. Wir prüften noch nachmittags unsere Optionen und entschieden, morgens auszulaufen. Zeit hatten wir bis spätestens Dienstagabend, um sicher an der spanischen Küste anzukommen.

Tja, leider ließen wir La Rochelle nun aus, aber, dort rund 10 Tage festhängen, wollten wir auch nicht. Der Abschiedsabend mit Kerstin und Michael fiel daher leider etwas kürzer aus – ein bißchen mehr Schlaf tanken musste sein – und dann ging es los. Au revoir Bourgenay, au revoir Ihr Zwei, was für eine herrliche Zeit mit Euch in Bourgenay. Danke für die perfekte Gastfreundschaft, à bientot!!

Hafenausfahrt Bourgenay

27. – 29. Juli noch in Les Sables d’Olonne, dann

29. Etmal am 29.7. abends nach Bourgenay