Die Biskaya und erst recht in Kombination mit dem Wort ‘Überquerung’ löst bei vielen Menschen Kopfkino aus. Meist spielen dabei hohe Wellen, Stürme und untergehende Schiffe eine Rolle. Die Biskaya hat ein Image, ein vermeintlich schlechtes – und nun war es an uns, das zu überprüfen.
Am Morgen des 1. August war es soweit: wir verließen Bourgenay und starteten unsere Biskaya-Überquerung. Die Betonung liegt hierbei auf UNSERE, denn, es gibt nicht nur eine, sondern natürlich zigfache Möglichkeiten, von Frankreichs Küste nach Spanien zu gelangen. Die längste Strecke geht üblicherweise von Brest bzw. Camaret-sur-Mer aus und führt direkt nach A Coruna; rund 340 Meilen und somit ca. drei bis vier Tage und Nächte. Das hatten wir für uns frühzeitig ausgeschlossen, da wir uns ja die Küste bis La Rochelle ansehen wollten.
Leider kamen wir ja nicht bis dorthin, sondern sind schon von Bourgenay aus losgefahren. Das bevorstehende Wetter schrieb uns den Tag und die Route ziemlich genau vor. Wir hatten also maximal zwei Tage und Nächte Zeit, bevor drei aufeinander folgende Tiefdruckgebiete mit starken und stürmischen Winden aus Südwest diese große Bucht treffen würden und wir wahrscheinlich zehn Tage in La Rochelle festgesessen hätten – bei Regen und Starkwind. Nein, das wollten wir nicht.
Frohen Mutes setzten wir kurz nach dem Hafen von Bourgenay Segel und freuten uns über den Westwind, der unsere geplante Route bis Gijon ermöglichen sollte. Und das ging super los – und hielt rund 40 Meilen an 🙁 .
Zwischenzeitlich sah es ja noch so aus, als ob wir bei der tollen Geschwindigkeit – in diesem Fall 5,8 Knoten unter Segel – noch weiter vorankommen könnten. Leider war das nicht der Fall. Der Wind ließ nach und kam immer mehr aus Südwesten, für uns also direkt von vorne. Unser Kurs richtete sich immer mehr auf Santander aus, denn Kreuzen bei wenig Wind ist für uns wirklich gar keine Alternative auf so einer langen Strecke.
Je später der Abend, je weniger blies der Wind, was natürlich im Hinblick auf die Wellenhöhe eine positive Seite hatte. Letztendlich fuhren wir um 21 Uhr unter drei Knoten, so dass wir die Segel einholten und den Motor starteten – der schafft ja schließlich doppelt so viel. Wir wußten, dass uns am nächsten Tag gar kein Wind mehr helfen würde und der Motor durchlaufen müsste. Natürlich hätten wir Gijon neu anpeilen können, wären dort am Folgetag aber nicht vor Mitternacht eingelaufen. Also von da an eine Nacht, einen Tag und noch eine halbe Nacht – klang nicht sonderlich attraktiv für uns.
Wir beließen den Kurs beim Ziel Santander und fuhren in die Nacht hinein.
Begegnet war uns bis dahin wirklich niemand. Na klar, morgens dicht unter der Küste wichen wir noch vereinzelten Angelbooten aus, aber dann waren wir allein. Kein Schiff in Sicht, keine AIS-Signale weit und breit.
Das änderte sich erst tief in der Nacht. Da waren sie dann unterwegs, die größeren Fischerboote. Die Situation erinnerte uns an den Zusammenstoß von Boris Herrmann und einem Trawler bei der Vendee Globe… Bei uns war allerdings immer einer wach und blickte auf die Bildschirme. Außerdem waren die Fischer größtenteils brav mit AIS-Signal unterwegs, andere mit Blinklichtern (mit denen auch einige ihrer Netze ausgestattet waren), ein anderer aber auch komplett ohne Beleuchtung und somit für uns nur auf dem Radar zu erkennen. Die fischten alle in einem Gebiet, wo der Meeresgrund ziemlich abrupt auf 1000 Meter Tiefe abfällt. Leider konnten wir nicht in Erfahrung bringen, welche Fische sich dort wohl fühlen bzw. zu Opfern werden.
Mit diesen Meerestiefen hatte ich mich im Vorfeld auch gedanklich beschäftigt. Wo starke Strömungen auf (Unterwasser-)Berge treffen, bauen sich hohe Wellen auf. Ok, ruhiges Wetter und wenig Strömung sollten für kleine Wellen sorgen, dachte ich mir. Und so war es dann auch, ist nachts aber irgendwie schräg, wenn man, umgeben von Pechschwarz, in bzw. über so einen Graben fährt. Um vier Uhr morgens war es bei uns übrigens der Santander Canyon, der dort immerhin 3800 Meter tief ist 😯 .
So ruhig das Wetter auch war, bescherte es uns aber leider keine klare Sicht auf einen Sternenhimmel. Nur vereinzelt blinzelte mal einer durch. Eine nette Fügung war aber, also wir um 5.20 Uhr morgens die Grenze zu Spanien passierten und genau dann, das erste Himmelslicht einen Unterschied zum dunklen Wasser schuf.
Für Micha und mich sind das übrigens die härtesten Stunden, denn üblicherweise bestreiten wir in der Zeit zwischen zwei und sechs Uhr morgens unsere Tiefschlafphase. Entsprechend fertig waren wir beide und wechselten uns im 2-Stunden-Rhythmus ab. Bei vollem Tageslicht wird das einfacher, da taucht jeder mal zwischendurch für 30-60 Minuten ab und fühlt sich danach etwas wacher.
Die Sonne setzte sich am Vormittag durch, der Wind war eingeschlafen und das Meer zeigte sich mit dieser Wasseroberfläche:
Ein tiefes, sattes und warmes Blau. Uns fiel kein Tag in den letzten Monaten ein, wo wir eine vergleichbare Intensität wahrgenommen hätten. Wow, war das schön.
Und, je mehr man in die Ferne sah bzw. hier auf dem Foto sieht, wurde bei uns beiden die gleiche Erinnerung geweckt. Alle mit ähnlichen Geburtsjahren wie wir – also die sogenannten Babyboomer – sind ja mit der Augsburger Puppenkiste aufgewachsen und, vielleicht stellt sich auch bei Euch die passende Erinnerung ein??? Ja, die Wasseroberfläche bei ‘Urmel aus dem Eis” wurde durch glatte Folie geschaffen – und wir fuhren sozusagen durch Folienwasser… 😉 Verstärkt wurde dieser Eindruck übrigens auch durch die lange, flache Atlantikdünung.
Im Laufe des Tages sahen wir immer mal kleine Rückenflossen, die in rund 100 Metern Entfernung vorbeischwammen. Leider kam keiner dieser Delfine dichter, aber wir schöpften Hoffnung auf zukünftige Annäherungen.
Das Land näherte sich dann zuerst an. Ab nachmittags konnten wir die Umrisse der Berge von Kantabrien erkennen, und, wie erhofft, tauchte eine weitere Delfinfamilie in unserer Nähe auf. Einer der geschmeidigen Gesellen war neugieriger als die anderen und stattete uns einen kurzen Besuch ab. Mein Gott, war das schön.
Wahrscheinlich ist es wirklich diese Kombination aus extrem schneller und elegant-geschmeidiger Fortbewegung sowie die fröhlich anmutende Gestalt, die die Delfine für uns so attraktiv macht. Ich jedenfalls hätte gerne noch mehr davon – und länger in der Nähe und mit uns ziehend und aus dem Wasser springend und und und 😀 .
Auf jeden Fall war das ein wunderbares Begrüßungsgeschenk, das uns Spanien da machte. Muchas gracias!!!
Gegen 18 Uhr erreichten wir die Bucht von Santander mit der königlichen Residenz rechts vorne auf dem Hügel:
Es dauerte gut 30 Minuten, bis wir im eigentlichen Yachthafen von Santander festmachten. Eine lange Strecke zum Ende unseres langen Törns, aber, ein ruhiges Umfeld, was wir nach diesen 36 Stunden gut gebrauchen konnten.
Also, wie war sie nun, UNSERE Biskaya-Überquerung?
Eher eine langweilige Pflichtübung, als ein spannendes, aufregendes Erlebnis. Hätten wir mehr segeln können, wäre die Empfindung sicher noch eine andere gewesen. Aber, 130 Meilen und somit gut 21 Stunden lang zu motoren, ist ermüdend und nicht wirklich schön. Irgendwie sind wir auch dankbar, dass es so ruhiges Wetter war. Aber, wir beide hätten uns gerne mehr Wind aus passenderer Richtung gewünscht und hätten die Strecke dann aktiver gestalten können.
Klar ist auch, dass wir beide keine Nachtfahrer sind. Und dabei geht es nicht um die Dunkelheit! Wir haben beide keine Angst vor der Schwärze um uns herum, fühlen uns mit unseren Sicherheitssystemen gut ausgestattet und vertrauen einander, wenn der andere schläft. Vielmehr graust uns vor den Schlafmangel. Und der hat, besonders in Verbindung mit der ständigen Schiffsbewegung, nun mal Auswirkungen auf den Körper. Schon mal versucht, morgens im Dunklen kurz vor sechs aufs Bord-WC zu gehen? Es kommt der Moment, wo frau beide Hände von den Haltegriffen löst… und eine Welle mich kurzerhand in unsere Dusche warf…ausgeschlafen und weniger paddelig wäre mir das nicht passiert, denke ich. Vielleicht grooved man sich in einen Rhythmus ein, wenn man viele Wochen vor sich hat. Aber, uns reizt das gar nicht.
Letztendlich haben wir es geschafft! Wir waren in Spanien angekommen und konnten nun unsere nächsten Schritte entlang der Küste planen. Wunderbar. Ich denke, wir dürfen stolz auf uns sein. Unsere Biskaya-Überquerung liegt hinter uns.
30. Etmal am 1. und 2. August von Bourgenay in Frankreich nach Santander in Spanien – 200 Meilen, davon 66 segelnd
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