Hallo Deutschland – wir kommen nach Hause

Die Windvorhersagen für unsere Strecke von Bagenkop nach Laboe waren sich nur in der Windrichtung einig, nicht jedoch in der Windstärke. Wir hatten uns auf Leichtwind bis max. vier Beaufort aus Nordwest eingerichtet und den Gennaker vorbereitet. Und, falls uns mal eine fünfer Böe erwischen sollte, wäre das auch kein Problem.

Sobald wir aus dem geschützten Hafen herauskamen, blies der Wind kräftig von schräg hinten, und wir brausten, nur unter Genua, in Richtung Deutschland.

Nach gut einer Stunde schwächte sich der Wind ab, und wir wechselten auf Gennaker – herrlich. Dieses Segel ist nicht nur für achterliche Winde geeignet, sondern zieht uns auch bravurös bei halbem Wind voran.

Und dann ging alles recht schnell: wie aus heiterem Himmel (oh man, was für ein Schnack, der Himmel war nämlich stark bewölkt…, 🧐) erreichten uns heftige Böen, es knallte laut, und unser großes, buntes Segel flatterte in der Luft! Was war passiert? Der Gennaker ist am Bug mit einem Gurt an der Rollanlage befestigt (dazu oben am Topfall am Mast und zum Dichtholen an einer Schot, die wir vom Cockpit aus bedienen). Und besagter Gurt hatte in dem Moment seine Dienstzeit von sich aus beendet. Kurzum, er war gerissen.

Wir beide schauten uns das Geflatter kurz an und arbeiteten dann die erforderlichen Handgriffe nacheinander ab. Motor an, leichte Fahrt voraus, Schiff vor den Wind stellen (dann flattert uns das Riesensegel nicht in den Mast, um sich dort evtl. zu verhaken), und die Schot etwas dichter holen und sichern. Micha löste das Fall am Mast, und wir versuchten, das große Tuch Zug um Zug einzufangen und gleich durch die Decksluke ins Vorschiff zu versenken, ohne dass Kabel, Leine und Segel ins Wasser fielen. Und das gelang uns auch recht gut und sah anschließend so aus:

Nur gut, dass sowas am Ende der Reise passiert und nicht früher!! Wir haben nämlich später im Hafen beim Segelüberprüfen und -einrollen festgestellt, dass zwei, wenn auch nur kleinere, Risse entstanden sind. Das Segel muss nun auf jeden Fall ausgebessert werden, bevor wir es wieder nutzen können.

In Laboe fanden wir einen perfekten Liegeplatz für zwei Tage und genossen die Vorteile eines modernen, großen Hafens, der fußläufig von diesem Badeort liegt.

Mittwochmorgen bestand unsere erste Tat darin, den Funk anzuschalten und Kanal 12, den Schleusenfunk einzustellen. Parallel verfolgten wir mittels der AIS-Signale die Schiffe in der Kieler Förde und im Schleusenbereich Holtenau. Damit war dann auch schnell klar, dass gerade eine westgehende Schleuse gefüllt wurde – und wir das nicht mehr schaffen würden. Micha hatte noch hoffnungsvoll gefunkt, erhielt aber eine Absage, da wir noch 15 Minuten entfernt waren.

Wir hörten mit, dass die „Europa II“ eine Terminschleusung erhielt und andere Frachter mit gut drei bis vier Stunden Wartezeit zu rechnen hätten. Leider ist ja nur die große Südschleuse geöffnet, da die beiden kleinen Schleusen seit drei Jahren (?!) repariert werden und vor wenigen Tagen ein Frachter die große Nordschleuse beschädigt hatte. Der Hafenmeister in Laboe hatte noch berichtet, dass viele Schiffe den langen Weg um Skagen nehmen, aber auch aufgrund von Corona soundso deutlich geringerer Schiffsverkehr zu beobachten ist. Die Behörde hat schon die Gebühren für die Berufsschifffahrt gesenkt und für die Freizeitboote komplett aufgehoben. Das war ja mal eine gute Nachricht – immerhin musste bisher einer von uns die Schleusenwände hochkraxeln, persönlich oder am Automaten bezahlen und wieder runter turnen (klar, wer das bei uns aufgrund seiner Bergziegenausbildung machte, gelle?).

Nun aber kreisten wir als Teil einer Segel- und Motorbootgruppe im Wartebereich der Schleusentore herum und verfolgten das Einschleusen des Kreuzfahrtschiffes hautnah.

Zum Glück blieb für uns „Kleine“ ausreichend Platz, so dass wir mit sieben Schiffen gegenüber der „Europa II“ festmachen durften. Wie eine Wand lag sie da neben uns. Es gab also sowohl für uns als auch für die Urlauber weit oben genug zu gucken.

Erstmalig erlebten wir auch eine „persönliche Betreuung“ durch Schleusenmitarbeiter, die uns sehr freundlich von oben Anweisungen zuriefen. Insgesamt ein positives Erlebnis, wie wir es noch nie bei unseren vorherigen Touren erlebt hatten. Geht doch! 😉

Der Nord-Ostsee-Kanal ist gut 98 Kilometer lang und lässt sich durch die Übernachtungsmöglichkeit im Giselau Kanal wunderbar in zwei Hälften aufteilen (und wer mehr über die weltweit befahrenste, künstliche Seewasserstraße erfahren möchte, liest HIER weiter). Erwischt man gleich morgens die frühe Schleusung in Kiel, könnte man, bei reiner Fahrtzeit von acht bis neun Stunden, abends in Brunsbüttel ausschleusen oder dort übernachten. Da sich Sportboote aber aktuell nur bis 21 Uhr im Kanal bewegen dürfen, wäre das für uns knapp geworden, und diesen Stress vermieden wir einfach mal.

Wir waren vielmehr gespannt, wann und ob uns die „Europa II“ überholen würde. Immerhin schleusen Sportboote vor den großen Pötten aus und haben einen Vorsprung auf der Strecke.


Der Kreuzfahrtdampfer blieb aber überraschend immer in unserem Rückspiegel und fuhr somit nicht schneller als wir (später habe ich nachgelesen, dass Schiffe dieser Größe max. 6,5 Knoten fahren dürfen und die Europa II uns also eh nicht eingeholt hätte).

Aber natürlich gab es andere, unterschiedliche Schiffsbegegnungen während unserer Kanalfahrt.

Und auch diese Ansicht gehören zum Kanal:

Die Rader Hochbrücke (A7) mal aus anderer Perspektive

Äußerst naturnah und idyllisch präsentiert sich der Giselau Kanal mit seiner Schleuse:

Nach einer ruhigen und wolkenlosen Nacht an der Giselau Schleuse begrüßte uns der Morgen mit dichtem Nebel. Ok, das war um sieben Uhr früh zu erwarten gewesen. Als wir startklar waren, kamen erste Sonnenstrahlen durch, und wir erbaten bei der Funkstelle die Freigabe zur Kanaleinfahrt. Super, keine Wartezeit, der Nebel verschwand, und wir trafen nach drei Stunden in Brunsbüttel ein.

Schnell noch die Nebelreste von den Scheiben entfernen

Erneut war das Glück auf unserer Seite, denn eine der kleinen, alten Schleusen (sind natürlich auch schon 125 Meter lang) wartete bereits mit offenen Toren auf einen Bulkfrachter, der uns just in dem Moment überholte. Mit zwei anderen Seglern durften wir gleich danach einlaufen und mitschleusen und waren somit nach kurzer Zeit schon in der Elbe. Perfekt! ☺️

Und somit war auch unser Timing perfekt. Wir konnten unseren Idealplan umsetzen, der das Ausschleusen in Brunsbüttel zeitgleich mit dem einsetzenden Elbe-Hochwasser vorsah, so dass wir die 27 Meilen nach Gründendeich MIT der Strömung fahren konnten. Gerechnet hatten wir mit rund zwei Knoten „Strömungshilfe“, durften aber bis zu drei Knoten erleben und motorten zeitweilig mit 9,5 Knoten Speed. Schon um 15.15 Uhr legten wir im Altländer Yachtzentrum am reservierten Liegeplatz an. Witzig war, dass uns ein Skipper half, der uns bei der Zufahrt schon mit „Carlotta? Da habe ich doch gerade den Blog gelesen; Sie waren doch grad erst noch in Finnland“ begrüßte. So klein ist die Welt…😃

Altländer Yachthafen in Gründendeich

Passend zum Ende unserer Tour kam der Regen, und wir verkrochen uns erstmal unter Deck. Durchschnaufen und dann einen Blick auf unseren Meilenstand werfen. Wow: 1868 Seemeilen bzw. 3560 Kilometer in 80 Tagen auf eigenem Kiel! Wir sind stolz wie Bolle und sehr glücklich!

31. August von Bagenkop/DK nach Laboe
49. Etmal: 24 Meilen, davon 13 segelnd

2. September von Laboe zur Giselau Schleuse im Nord-Ostsee-Kanal
50. Etmal: 35 Meilen unter Motor

3. September vom Giselau Kanal via Brunsbüttel-Schleuse nach Grünendeich
51. Etmal: 49 Meilen mit Motor