Nach dem langen Hafenaufenthalt in Oeiras waren Micha und ich voll motiviert, wenigstens ein paar der 50 Meilen bis Sines zu segeln. Den Gennaker hatten wir vorbereitet, und die unguten Gedanken an die Orcas beiseite geschoben.
Erstmal ließ der Wind auf sich warten. Ok, so war es vorhergesagt. Dann, plötzlich, raste die Anzeige von sechs auf zwölf Knoten Wind nach oben, und wir sprangen an die Schoten. Vollzeug raus, Kurs anpassen und hoffnungsvoll auf unser Speedometer schauen. Grrrrr 😖 . Das war ein 10-minütiger Luftzug, der uns bei Laune halten sollte… Nun gut, wir gaben noch nicht auf. Alles runter, Gennaker hoch. Bange Blicke auf die Anzeigen; Mist, das reicht auf keinem Fall – es sei denn, wir wollten um 23 Uhr in Sines einlaufen 🙁. Eine halbe Stunde später schöpften wir nochmals Hoffnung. Aber, wieder umsonst. Nun gut, unseren Vormittagssport hatten wir damit absolviert 😉 .
Unsere Konzentration wurde aber gleich wieder gefordert. War das nicht eine seeeehr große, dunkle Rückenflosse, die da gerade im Wellenkamm verschwand????? 😯 Und da, noch eine!!! Bitte nicht!!! Bitte keine Orcas!!!!
Dann die Erlösung: es waren “nur” sehr große Delfine, deren Flossen durch die Schattenlage fast schwarz geschimmert hatten. Man, waren wir angespannt. Und nun total erleichtert und den restlichen Tag wiederholt glücklich durch solche Besuche:
Urmel hielt auch nichts mehr unter Deck. Hatte er sich doch die letzten Wochen im Salon aufgehalten und wenig Drang nach frischer Luft verspürt 😉 , wollte er unbedingt mit nach den Delfinen Ausschau halten.
und schließlich voller Ungeduld:
Nach achteinhalb Stunden erreichten wir Sines und damit unseren letzten Hafen an Portugals Westküste. Wobei Sines überhaupt der einzige Hafen ist, den Yachties entlang dieser Küste südlich Lissabons nutzen können; die wenigen anderen sind nur für Fischerboote geeignet. Selbst diese Marina ist recht klein und hat keine Werft für technische Unterstützung. Was das bedeutete, sollten wir am nächsten Tag erfahren.
Mit Einsetzen der Dämmerung erkundeten wir aber erstmal den kleinen Ort, der uns als wenig touristisch beschrieben worden war. Es sollte in den engen Gassen diverse kleine Restaurants und Bars geben. Da würden wir schon was Leckeres finden. Sollten, müssten eigentlich, hätten doch… 🙄 . Von den in Google Maps aufgeführten Möglichkeiten war fast die Hälfte verschwunden bzw. verrammelt und geschlossen. Da hatte Covid-19 ganze Arbeit geleistet. Ok, vielleicht trug auch die Nachsaison ihren Teil dazu bei, aber, es war schon erschreckend. Die zwei, in denen kein TV mit Fußball lief oder die reine Cafés waren, öffneten ihre Küche deutlich später. Wir hatten aber Hunger!
Und so landeten wir hier:
In der komplett leeren Sportsbar eines Benfica Lissabon Fan-Shops (in der kein Fernseher angeschaltet war…). Von der Straße aus hatten wir eigentlich eine Terrasse im Hinterhof gesehen und betraten also den Laden. Sogleich kam der (ungarische!!) Chef auf uns zu und entpuppte sich als extrem umtriebiger Gastgeber. Der war so nett, dass wir gar nicht anders konnten, als zu bleiben. Mit Händen und Füßen sowie einem Gemisch aus Portugiesisch, Englisch und Google Translator klärten sich die Möglichkeiten der Küche. Huhn oder Schwein mit Pommes, Reis und Salat. Oder Pommes mit Schwein oder Huhn. Plus Reis und/oder Salat 😜 . Na, dann nehmen wir doch Huhn mit Alles. Und ein Glas gekühlten Rosé. Nun gut, das war dann doch zu viel des Guten und wurde ein Glas eisgekühlter Rotwein… 😉 .
Als der Chef den Tisch abräumte, kehrte er gleich mit einem Teller mit kleinen Häppchen kross Gebackenem wieder. Und ich fragte noch, ob es sich um ein Dessert handelt, während ich lustvoll in so ein undefinierbares Stück hineinbiss – und er mich erwartungsvoll anschaute. Seine neue Delikatesse: Frittierter Schweinebauch. 😯 😯
Einen Gourmet-Orden konnten wir zwar nicht vergeben, aber, wir hatten einen wunderbaren Abend!
Immer noch grinsend, schlenderten wir an diesem lauen Sommerabend zurück zum Hafen. Vorbei an der alten Festung
und der Statue des legendären Vasco da Gama.
1469 wurde der portugiesischer Seefahrer in Sines geboren und trat 1497 die große Reise von Lissabon in Richtung Indien an. Er entdeckte den Seewegs um das Kap der Guten Hoffnung herum und betrat ein knappes Jahr später indischen Boden.
Wir haben mal schnell zu iSailor gegriffen und die Tour “geplant”, äh, nachvollzogen. Je nachdem wie weit die Flotte damals westlich von Afrika im Atlantik gesegelt ist, waren das mindestens 10.000 Meilen, wahrscheinlich mehr. Ok, bei sechs Knoten Dauer-Fahrt wären wir in 69 Tagen dort… 🧐😉😁.
Zuvor warteten wir aber auf das Windfenster am Folgetag und gönnten uns noch einen ganzen Tag im Hafen Sines. Wir haben ihn im Nachhinein zum Tag der Kommunikation ernannt.
Da gab es zum einen die Telefonate bzw. FaceTime-Termine mit der Familie und zum anderen die direkten Stegnachbarn. Einmal ein deutscher Lebenskünstler, der auf seinem Boot lebt und zum anderen der Besitzer einer schönen, historischen 44 ft-Yacht, dessen abgebissenes Ruder nun auf dem Meeresgrund weilt. Wir erfuhren, dass insgesamt sechs (!!) beschädigte Segelschiffe hier in Sines liegen.
Nach PanPan- oder Mayday-Rufen wurden die Yachten in den nächstgelegenen Hafen geschleppt, und das war bei den meisten der betroffenen Boote die Marina Sines. Blöd nur, dass es dort nur einen Kran mit Tragekraft max. 3 Tonnen gibt und die meisten Fahrtenyachten deutlich schwerer sind – CARLOTTA wiegt z.B. gut acht Tonnen. Unser Nachbar hat nun nach Vorgabe seiner Versicherung alle Optionen geprüft und eine klare Anweisung für den Landtransport nach Belgien erhalten. Gut, wer eine Vollkasko hat (und eh auf dem Rückweg in die Heimat war)! Er demontiert nun so viel wie möglich an Deck, damit der georderte Spezialkran seine Yacht auf den Tieflader heben und dieser den Transport auf der Straße durchführen kann. Inklusive Reparatur schätzt man die Kosten derzeit auf 20.000 Euro 😨.
Mit den anderen Eignern haben wir nicht gesprochen, aber denen bleibt zum Teil wohl nur das Abschleppen nach Cascais in die Werft. Liegt wohl auch bei rund 8.000 € und ist kein Zuckerschlecken so über 50 Meilen auf dem Atlantik.
Wiederholt sind wir sehr dankbar für unser bisheriges Glück!! Und da die Meldungen mittlerweile von nördlich Lissabon stammen, wagen wir ein vorsichtiges Aufatmen. Vorsichtig, da die schwarz-weißen Kerle ja super fix sind. Bis zu 25-30 Knoten, also ca. 56 km/h, können Orcas schnell sein und wären somit in wenigen Stunden wieder im Süden Portugals…
Da im Laufe des Tages weitere bekannte Yachten in Sines eintrudelten, gab es reichlich Klönschnacks. Schon nett, wenn man sich immer mal wieder begegnet und über Erfahrungen und Pläne austauschen kann. Unser “längster” Kontakt gilt der MIKA, die wir am 5. Juni 😲 in Borkum kennen gelernt hatten. Die vierköpfige Familie aus Norddeutschland verbringt ein Jahr Elternzeit auf ihrem Schiff und peilt auch das Mittelmeer an.
Natürlich war auch noch Zeit für DAISY und einen Überblick.
Am Montagmorgen legten wir bei Sonnenaufgang ab,
um vor Sonnenuntergang an der Algarve anzukommen. Ja, Ihr lest richtig, endlich war es so weit. Wir erreichten um 16 Uhr die Südwestspitze Portugals und passierten das Kap Sao Vincente. Dort gibt es etwas zu kaufen, wovon Micha schon seit Tagen spricht…ein landseitiger Besuch ist also schon geplant 😋.
Nach insgesamt zehn Stunden und 63 Meilen ließen wir den Anker um 17 Uhr in der Bucht bei Sagres fallen.
Das Farbenspektakel, das uns abends erfreute, ließ auch am nächsten Morgen nicht auf sich warten.
Da schmeckte das Frühstück im Cockpit gleich doppelt so gut.
Und falls sich jemand fragt, ob wir (endlich mal) eine angenehme Ankernacht hatten…: ja, zum Glück gab es bei dem starken ablandigen Nordwind kaum Welle und eine klare Ausrichtung unseres Bugs. Der Anker hatte sich im Sand gut eingegraben.
Es dauerte nicht lange, und der Wind frischte auf. Wer braucht da am Ankerplatz noch einen Motor zum Losfahren?? Einfach die Genua ausrollen, und ab ging die Post. Kaum hatten wir die Klippen von Sagres passiert und das Großsegel hochgezogen, düsten wir auch schon bei 5 Beaufort dahin. Endlich mal wieder Am-Wind-Segeln! Endlich mal keine Welle. Das hatten wir dem Nordwind zu verdanken, der uns monatelang auf unserem Südkurs von hinten ins Cockpit geblasen und uns durchschaukelt hatte. Nun setzten wir aber bei gleicher Windrichtung einen klaren Ostkurs und konnten die Rauschefahrt in Richtung Lagos genießen.
Kurz vor Lagos erreichten wir die grandiosen gelb-orange-farbenen Klippen mit ihren Höhlen, die ein absoluter Touristenmagnet sind. Dieser Naturpracht konnten auch wir uns nicht entziehen und motorten langsam dichter.
Unfassbar schöne Felsen!
Wir konnten uns überhaupt nicht sattsehen, fotografierten um die Wette, und auch DAISY wollte nicht wieder an Bord.
Ein Blick auf die 19 Grad Wassertemperatur kurz vor der Hafeneinfahrt erhöhte unsere Vorfreude auf einen längeren Aufenthalt in Lagos. Wir waren angekommen, und wir hatten noch so viel Zeit! Was für ein Geschenk!! 💝
51. Etmal am 2. Oktober von Oeiras nach Sines – 50 Meilen, davon nur zwei segelnd
52. Etmal am 4. Oktober weiter zum Ankerplatz vor Sagres – 63 Meilen, davon wunderbare 30 segelnd
53. Etmal am Folgetag bis zum Hafen Lagos – 16 Meilen und davon sieben segelnd
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