Abgelegt! Tschüß Hamburg

Logbucheintrag vom 3. Juni 2021: Hamburg-Finkenwerder 09.10 Uhr Motor an / ABLEGEN!

Ich konnte gar nicht anders und musste ‘Ablegen’ in Großbuchstaben schreiben. Immerhin ist es eine große Sache, die wir da angehen. Und, Ablegen heißt ja nicht nur “von einer Anlegestelle wegfahren”, sondern auch “sich von etwas freimachen”. Während die meisten aber ihre Jacken oder Mäntel ablegen, befreien wir uns von einem großen Teil unseres bisherigen Alltags. Wir tauschen für viele Monate Haus und Garten gegen unsere kleine, schwimmende Wohneinheit und reisen als Zeit-Millionäre entlang Europas Küsten. Sehr naturverbunden, selbstbestimmt und absolut im Jetzt und Hier. Was für ein Glück, was für ein Geschenk. Ablegen ist toll!

Die Frage nach dem “ob überhaupt” hatte sich für uns in den letzten 1,5 Jahren trotz Corona und weiteren Unwägbarkeiten nie gestellt. Es gab natürlich zig emotionale Berg- und Talfahrten, vor allen Dingen in den letzten Wochen. Unsere Nerven wurden wechselweise vom deutlich zu kalten Frühling mit ausschließlich westlichen Winden, Corona-Reisebeschränkungen und AstraZeneca-Impfwahnsinn Runde eins und zwei strapaziert. Einige überraschende Reparaturnotwendigkeiten bei CARLOTTA, ein paar gesundheitliche Querschläge und der nahende Abschied von unserer engsten Familie und Freunden taten ihr Übriges. Entspannte Abreisevorbereitungen sähen anders aus. Aber, als Zeit-Millionär 🙄 holt man einfach mal tief Luft und schaut auf das Große und Ganze und nach vorne. Und dann fügte sich alles: die zweite Impfung klappte, CARLOTTA wurde fertig (ok, die geplante Decks-Politur holen wir unterwegs nach 😉 ), es wurde wärmer, und der Ostwind betrat exakt am 3. Juni die Bühne. YES, so sollte es sein.

Ich glaube, das schöne Wetter machten uns allen den Abschied etwas leichter – immerhin lachte die Sonne am blitzblanken Himmel und motivierte unser Heimatteam zum kräftigen Winken. Dankeschön, Ihr Lieben, gut, dass Ihr da ward.

Micha beschrieb seine Emotionen am Vortag noch mit folgendem Vergleich: als wenn er den ganzen Winter an einer Rakete gebastelt hätte und nun der Tag gekommen sei, sie zu starten – und, ob sie ihn wirklich dahin brächte, wo er hin wolle.

Ich war innerlich überraschend ruhig, immerhin hatten wir unsere ToDo-Liste super abgearbeitet und alles an Bord verstaut – inklusive der 24 Kilo Dinkelmehl zum Brotbacken sowie kiloweise Lieblingsmüsli 🙄 . CARLOTTA und ich scharten mit den Hufen. Ich war mir absolut sicher, dass der Zeitpunkt der richtige war und wir wirklich losfahren sollten. Das Universum hatte alle Ampeln für uns auf grün geschaltet. Mit voller Überzeugung schaute ich den vielen neuen Aufgaben, den Überraschungen und dem Unbekannten entgegen!

Konkret bedeutete das für uns an diesem Tag, rechtzeitig vor Niedrigwasser in Cuxhaven einzulaufen und vor allen Dingen, Brunsbüttel noch mit ablaufendem Tidenstrom zu passieren. Niemand will auf der Elbe gegen drei bis vier Knoten Strömung gegenan fahren – wir gaben Gas.

Um dann zu unserer großen Freude wieder einem Abschieds- äh, Empfangsteam – gegenüber zu stehen. Jessi und Timo, Segelfreunde von der Ostsee, versorgten uns mit frischem Himbeerkuchen und versüßten uns den ersten Reisenachmittag. Echt lieb von Euch!!

Ganz war die Spannung aber noch nicht von uns gefallen: die Törnplanung für den nächsten Tag wollte verfeinert bzw. dem Wetter anpasst werden. Bei Hochwasser raus aus Cuxhaven und links rum in Richtung der ostfriesischen Inseln. Wattenmeer, wir kommen.

01. Etmal: Hamburg-Finkenwerder bis zur Seglervereinigung Cuxhaven / 54 Seemeilen unter Motor.