Gibraltar – The Rock

Als wir uns entschieden hatten, nicht an der Algarve, sondern doch erst im Mittelmeer zu überwintern, war klar, dass wir Gibraltar auf unserem Weg anlaufen würden. Zwei Assoziationen stellten sich sofort ein.

Na, welche habt Ihr jetzt im Kopf? Sind es auch “Affen” und “englisch”?? Aber tatsächlich war beides für uns aktuell unwichtig. Wir mussten nämlich erstmal vernünftig hinkommen und hatten daher seit Cádiz stetig die Windverhältnisse in dieser Region und – mit großem Respekt – den extrem kräftigen Levante (der östliche Wind aus dem Mittelmeer) beobachtet. Wir brauchten ja ein Wetterfenster, das uns die Passage mit Westwind ermöglichte, und das war derzeit eher selten. Die Meeresenge zwischen Spanien mit seiner Sierra Nevada und Marokko mit seinem Atlasgebirge steht also unter dem Einfluß starker Winde, aber auch starker Strömungen durch den Wasseraustausch beider Meere, gegen die man nicht gegenan fahren will (und sollte).

Wir hatten die Abfahrt von Cádiz über Barbate logischerweise an diese Vorgaben angepasst und bogen tatsächlich mit wenig Gegenwind und kaum Gegenströmung in die Straße von Gibraltar ein. Kurz vorher hatten wir bei Tarifa den südlichsten Punkt des europäischen Festlandes passiert. Und da wurde uns schlagartig bewußt, wo wir uns befanden. Nämlich fast in Afrika!

Ich hatte tatsächlich einen Kloß im Hals. Das ist wirklich was ganz Großes, wenn man nach sechs Monaten auf dem eigenen Segelschiff zwar mehrere Länder passiert und auch besucht hat, aber so dicht an einem anderen Kontinent vorbei fährt. An der schmalsten Stelle sind es gerade mal 14 Kilometer, die Europa und Afrika trennen.

Somit war auch klar, warum regelmäßig ein Hubschrauber verhältnismäßig niedrig über uns hinweg flog und aus dessen geöffneter Tür eine Person zu uns herunter schaute. Und, warum ein großes Schiff der Küstenwache vor der Bucht von Gibraltar patroullierte.

Natürlich hatten wir frühzeitig bei DEM Yachthafen in Gibraltar einen freien Liegeplatz erfragt, um dort zwei Nächte zu verbringen. Passend zu den Informationen anderer Segler erhielten wir ein “No, we are occupied, no berth available” – und das wurde in dem Moment des Vorbeifahrens leider nochmal bestätigt. Hatten wir in der aktuellen Nachsaison so nicht erwartet. Trotzdem legten wir ein paar Meter weiter an. Denn, an der Tankstelle in einem Land bzw. einer Kronkolonie ohne Mehrwertsteuer geht kein Weg vorbei. Tanken ist nun nicht gerade unsere Lieblingsbeschäftigung, aber, bei einem Dieselpreis von € 0,88/l wurde daraus ein vergnüglicher Besuch.

Kurz ums Eck, und schon lagen wir auf spanischer Seite in der Hafenstadt La Linea fest am Steg. Unsere “finanzielle Glückssträhne” setzte sich in der für uns bisher günstigsten Hafengebühr fort, denn die Marina Alcaidesa berechnete uns gerade mal € 14,26 pro Nacht 🙂 .

Waren wir dem Felsen ja schon an der Tankstelle recht nah gekommen, genossen wir diese Kulisse nun stetig. Carlotta übrigens auch 😉 .

Und nun drängten sich unsere ursprünglichen Assoziationen wieder in den Vordergrund. Was gab es auf dieser Halbinsel zu entdecken, und was wollten wir hier besichtigten? Wir waren uns schnell einig: keine Affen! Manch einer mag ja diese Berberaffen als possierliche Tierchen betrachten, uns reizte ein (überteuerter) Ausflug dorthin nicht. Amüsant finde ich aber die Legende, die besagt, dass die britische Herrschaft in Gibraltar beendet sei, sobald der letzte Affe den Felsen verlassen hätte. – Unvorstellbar bei den wachsenden Touristenmengen, die zu den “Fütterungsstellen” transportiert werden 😉 .

Auch als Höhlenfan kommt man in Gibraltar auf seine Kosten. Es gibt Tropfstein, Neandertaler-Funde und militärische Anlagen. Wer’s mag… wir gaben uns lieber unser Lieblingsbeschäftigung hin und taperten durch die Straßen. Dort vermischte sich das britische Flair mit spanischem Lebensstil (und Bewuchs 😉 ).

Das britische Symbol schlechthin – allerdings unter Palmen…

Oder umgekehrt: südeuropäisches Laissez-faire mit britischer Eleganz. Es kamen nämlich einige gestylte Managertypen mit vermeintlich eloquentem Oxford-Englisch an uns vorbei. Und eine “echte Tea-Time” hätten wir auf jeden Fall genießen können. Wenn auch nicht in der viel gepriesenen Main Street, der Shoppingstraße schlechthin. Uns zog es lieber in die Seitengassen, wo wir überraschenderweise die älteste Bar Gibraltars entdeckten.

Zwei weitere Überraschungen warteten drinnen auf uns: zum einen viele locker-palavernde Spanier, denen der Café con Leche genauso gut schmeckte wie uns.

und zum anderen tolle, moderne “English Breakfest”-Varianten.

Selbstverständlich gibt es downtown auch attraktive Gebäudefassaden.

Cathedral of Saint Mary the Crowned

Auf eine Besonderheit Gibraltars möchte ich noch eingehen, die kein Besucher umgehen kann (ok, ich korrigiere: bis auf alle, die einen Stadt-Liegeplatz ergattern konnten…). Gehen, ist jedenfalls schon mal ein gutes Stichwort.

Sobald man die Grenze zwischen Spanien und England passiert hat, kreuzt eine vierspurige Straße die Landebahn des Flughafens. Dass diese höhengleich verläuft, findet man übrigens weltweit an keinem anderen Airport! Fußgänger spazieren am Rande, aber eben auf dem Flugfeld und haben dann diesen speziellen Weitblick.

Micha fand das alles sicher ganz spannend 🧐. Ich war nur froh, dass kein Flieger landete oder startete, da die erforderliche Sperrung für Pkw und Fußgänger schon mal 60 Minuten dauern kann.

Bei unserer Abfahrt resümierten wir dann für uns: ja, vom Feeling her kann man in Gibraltar stoppen, zwingend nötig ist ein Aufenthalt in dieser Stadt aber nicht. Imposanter Felsen hin oder her.

Wir ließen vormittags somit unseren letzten Atlantik-Hafen hinter uns und bogen ein ins Mittelmeer. Was natürlich wieder so einen Gefühlsmoment auslöste 😍 !

Ein Blick zurück nach Afrika

und ein längerer entlang The Rock auf dem Weg nach Norden (!!!!) zur Costa del Sol.

Den dritten Blick warfen wir auf unsere bisherige Route:

Gut ersichtlich sind die westlichen und südlichen Anteile, die unsere ersten Reisemonate beherrschten. Seit der Algarve geht es in Richtung Osten, und nun erstmals auch wieder in den Norden. Zum Glück bleibt es bei Südspanien und somit bei wirklich angenehmen Temperaturen Anfang November. Wir werden jetzt noch ein paar Wochen den unglaublich blauen Himmel und die strahlende Sonne genießen und erste Mittelmeerhäfen erkunden. 🙂 🙂

58. Etmal am 1.11. von Cadiz nach Barbate – 36 Meilen, davon 31 segelnd

59. Etmal am 2.11. von Barbate nach La Linea  – 38 Meilen, leider nur 7 unter Segel